Kommunen in ganz Deutschland stehen derzeit vor der Herausforderung, ihre Strom- und Wärmeversorgung klimaneutral zu gestalten und CO2 einzusparen – so auch die Große Kreisstadt Stollberg. Der Umbau bestehender Infrastrukturen erfordert viel Know-how und nicht überall ist dieses gleichermaßen vorhanden. Hier setzt die neue „Plattform Grüne Fernwärme“ des Energieeffizienzverbandes AGFW an, deren westsächsisches Netzwerk gestern in Stollberg offiziell gestartet ist.

„Wir stehen als Kommune selbst vor wichtigen Entscheidungen für unsere Wärmeversorgung“, erklärte Stollbergs Oberbürgermeister Marcel Schmidt. „Wir werden die bestehenden Wärmenetze erweitern und auch neue Netze zur Versorgung unserer Wohnquartiere errichten. Erneuerbare Energien spielen dabei eine immer wichtigere Rolle, weil wir nur so die Klimaziele von EU, Bundesregierung und Freistaat erreichen können. Im Rahmen der Planungen haben wir viel Know-how gesammelt und geben dieses nun gerne an interessierte Kommunen in der Region weiter. Denn eines ist klar – die Wärmewende muss vor Ort in den Kommunen gelingen. Wir stellen uns in Stollberg dieser Herausforderung.“

Als Netzwerk-Pate steht Schmidt mit seinen Mitarbeitern bereit, wenn sich Umlandkommunen ebenfalls für Fernwärme aus erneuerbaren Energien interessieren. „Der Vorteil der Fernwärme ist, dass sie unterschiedliche Energiearten nutzen kann, ganz nach den lokalen Gegebenheiten.“ Das Spektrum reiche beispielsweise von Solart- und Geothermie über die Nutzung von Holz bis hin zu Abwärme. „Wichtig war für uns der Ansatz, dass nicht jede Stadt alle Überlegungen und Planungen neu anstellen muss. Das, was wir bisher an Wissen erworben haben, geben wir gerne weiter, damit die Wärmewende überall gelingt.“

Plattform Grüne Fernwärme soll Kommunen Orientierung bieten

Damit beschreibe Schmidt genau den Kerngedanken der neuen Plattform, so Harald Rapp, Bereichsleiter Stadtentwicklung des AGFW: „Mit der Plattform Grüne Fernwärme wollen wir Kommunen eine fachliche Orientierung bieten, die sich für Fernwärme und Wärmenetze interessieren. Sie brauchen oft zu Beginn die meiste Unterstützung. Von der ersten Idee über die Planungsphase bis hin zum Beschluss durch das Gemeindeparlament begleiten wir die Entscheidungsträger deshalb auf ihrem Weg zur CO2-Einsparung in der kommunalen Wärmeversorgung.“

Dem Verband AGFW gehören bundesweit mehr als 550 Stadtwerke und Energieversorger sowie energiewirtschaftliche Dienstleister an. Über die Website www.gruene-fernwaerme.de und regionale Netzwerktreffen erhalten die kommunalen Ansprechpartner Informationen und Know-how, um die Wärmewende vor Ort zu gestalten. Die Idee komme gut an, wie Rapp berichtet. „Wir starten derzeit weitere Netzwerke in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Das große Interesse seitens der Kommunen zeigt uns, dass wir hier ein wichtiges Thema adressieren. Zugleich ist es schön, dass Städte und Stadtwerke bereit sind, ihr bereits erworbenes Wissen mit den regionalen Partnern zu teilen. Dieser Know-how-Transfer wird die Wärmewende insgesamt deutlich voranbringen.“

Großer Handlungsdruck für Kommunen durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Dass dieser „Turn“ nötig ist und für die Kommunen Handlungsbedarf besteht, verdeutlichte im Rahmen der Veranstaltung Rechtsanwalt Michael Köppl, der jahrelang im sächsischen Innenministerium für den Bereich Stadtentwicklung tätig war. „Man hat viel von den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz gehört. Die überraschend weitgreifende Entscheidung besagt im Kern, dass bereits heute darauf geachtet werden muss, dass nicht künftige Generationen durch Schädigungen der Umwelt, insbesondere durch die CO2-Belastung, erheblich beeinträchtigt werden. Bereits heute müssen nachhaltig wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um den CO2-Ausstoß zu vermindern oder zumindest zu kompensieren. Dies kann von jedem einzelnen auch eingeklagt werden.“

Zwar wirke es zunächst abstrakt, da es um Zielvorgaben durch den Bundesgesetzgeber gehe, so Köppl. Kaum eine Gemeinde sei sich indes bewusst, dass diese Entscheidung bereits jetzt Folgen für ihr tägliches Handeln haben kann. „Es betrifft insbesondere die Bauleitplanung. Den Kommunen ist wohl eher nicht klar, dass hier eine intensive Auseinandersetzung auch mit der Treibhausgas-Thematik gefordert ist. In unserer Veranstaltung wollen wir das Augenmerk deshalb genau hierauf richten. Und dies, bevor die ersten Klagen gegen einen kommunalen Bebauungsplan eingereicht werden.“

Städte und Gemeinden, die sich für den Erfahrungsaustausch interessieren, können sich unter www.gruene-fernwaerme.de über die Plattform informieren und sich dem Netzwerk anschließen. 

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